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Grünes Klimagrab – im Meer verblüht

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 Für ein eigentlich schon totgesagtes Großexperiment, das nach dem Auslaufen der „Polarstern” in Kapstadt am 7. Januar  als „gestoppt” angekündigt wurde und mindestens zweimal vom Berliner Bundesumweltministerium  für quasi illegal erklärt wurde, zeigt das deutsch-indische Eisendüngungsprojekt „Lohafex” im Südmeer erstaunlich vitale Lebensfunktionen. Heute um die Mittagszeit präsentierte einer der Fahrtleiter, Victor Smetacek, und seine verantwortlichen Kollegen vom Alfred-Wegener-Institut für Polar- und Meeresforschung  (AWI) die ersten Ergebnisse des Experiments. Und die hatten es in sich. Weniger  der alten oder neuer politischer Scharmützel wegen, sondern aufgrund der alles in allem doch sehr  überraschenden Beobachtungen und Messungen, die – Ironie der Geschichte – am Ende   vor allem denen gefallen dürften, die das Forschungsprojekt am stärksten attackiert haben.

 

  •   „Die Ergebnisse dämpfen die Hoffnungen, bedeutende Mengen Kohlendioxid aus der Atmosphäre langfristig im Südozean binden zu können, um die Erderwärmung abzumildern.”

 

In diesem Satz gipfelt das erste Kommuniqué zur neuesten Düngungsexpedition der Polarstern-Crew, an der sich diesmal  Fachleute aus immerhin sieben Staaten beteiligten. Das Projekt hatte aber nicht nur einen internationalen Zuschnitt, es hat innerhalb kürzester Zeit auch international für Aufsehen gesorgt. Denn zu dem Unmut einiger Umweltschutzgruppen, die gegen eine „Verseuchung” des Südatlantiks mit zwanzig Tonnen Eisensulfat wetterten und hinter der Treibhausgas-Entsorgung durch künstlich angetriebene Algenblüten auch eine gefährliche Alternativstrategie zu den klimapolitisch korrekten Emissionsreduktionen vermuteten, kam noch während der Polarstern-Fahrt in den Südatlantik das plötzliche Aufbegehren einiger Umweltschutzbürokraten  im Bundesumweltministerium, die – obwohl seit Wochen ins Benehmen gesetzt – einen Verstoß gegen das in Bonn ausgehandelte De-facto-Moratorium für bestimmte „großskalige” Ozeandüngungsexperimente witterten.  Am Ende behielt Bundesforschungsministerin Schavan als das für die Wissenschaft zuständige Kabinettsmitglied nach dem Einholen einiger unabhängiger Umweltgutachten die Oberhand. „Lohafex” wurde – wenn auch wegen ungünstiger Strömungen einige hundert Kilometer östlich  des ursprünglichen Versuchsgebietes – in den berüchtigten „”Roaring Forties” im Südatlantik durchgezogen.

 

Zweieinhalb Monate verbrachten die Lohafex-Forscher in dem Untersuchungsgebiet. Ein annähernd 300 Quadratkilometer großes Gebiet innerhalb eines Meereswirbels mit hundert Kilometern Durchmesser wurde mit einigen Tonnen Eisen gedüngt und 39 Tage lang kontinuierlich – mit einigen sturmbedingten kleineren Unterbrechungen – stichprobenartig analysiert. Die gesammelten Daten wurden regelmäßig in Wochenberichten veröffentlicht.

  Bild zu: Grünes Klimagrab - im Meer verblüht Foto Modis/Envisat/Lohafex

Die Bilanz von Ko-Fahrtleiter Smetacek  nach dessen schneller Rückkehr viel beeindruckend klar aus: Vieles war diesmal anders als in vorangegangenen Eisendüngungsexperimenten, und gerade deshalb vielleicht auf lange Sicht so wichtig für die richtige Einschätzung dieser immer wieder ins klimapolitische Spiel gebrachte CCS-Strategie („Carbon Dioxide Capture and Storage”).

Dabei sah zunächst alles aus wie gehabt: In den ersten Tagen nach der Eisensulfatinjektion ins Oberflächenwasser  kam es zur Algenblüte innerhalb des Meereswirbels, die Biomasse verdoppelte sich innerhalb von zwei Wochen. Zooplankton, vor allem Ruderfußkrebse (Copepoden) stoppten dann allerdings das weitere Wachstum der Mikroalgenpopulation. Ein Großteil des Phytoplanktons wurde also gefressen. Die Copepoden „grasten” die Algenteppiche offenbar emsig ab, so dass wenig von der Algenbiomasse abstarb, zum Meeresboden sank und damit wie von CCS-Auguren erhofft langfristig dem Kohlenstoffkreislauf und der Atmosphäre entzogen ist. Von den Copepoden, die sich an dem Algenteppich labten, landete der von dem Phytoplankton gebundende Kohlenstoff direkt  in den Mägen der größeren Räuber: Flohkrebse oder Amphipoden, zwei bis drei Zentimeter lange garnelenartige Gliedertiere und ihrerseits Beute für viele größere Meerestiere, verspeisten zuhauf die sich vermehrenden Ruderfußkrebse. Am Ende dieser Nahrungskette stand die Erkenntnis, dass das meiste Kohlendioxid aus der Luft, das von den Kleinalgen aufgenommen  wurde, ebenso wie das zugefügte Eisen in den oberen Wasserschichten recycelt  wurde – und damit keineswegs wie in früheren Experimenten in größeren Mengen sank und am Meeresboden quasi entsorgt wurde.

Was aber war in der Verwertungskette diesmal anders? Die Forscher sind sich da recht sicher: Während früher durch die Eisendüngung vor allem Kieselalgen (Diatomeen) zum Wachstum angeregt wurden, die mit ihrem festen Silikatskelett über einen guten Fraßschutz gegen die kleinen Räuber aus der Reihe der Ruderfußkrebse besitzen, blühten in dem subantarktischen Gebiet auf dem 48. Grad südlicher Breite, südlich von Gough Island, hauptsächlich leicht verdauliche „weiche” Mikroalgen, hauptsächlich winzige Flagellaten. Zur Kieselalgen-Blüte sei es in dem Wirbel nicht gekommen, so die Forscher, weil die Kieselsäure in dem Gebiet bereits vorher aufgezehrt worden war – verursacht vermutlich durch vorhergehende Diatomeenblüten, die durch natürliche Eisendüngung (Eisen aus Eisbergschmelzen oder Staub) ausgelöst worden sein könnten.

Eine zweite Eisendüngung zwei Wochen nach der ersten Injektion hatte jedenfalls keinerlei Effekt.

Am Eisendünger sollte es also nicht liegen. Das Ökosystem war gewissermaßen einfach nicht entsprechend präpariert, als „Klimaretter” einspringen zu können.

 

Damit ist nach diesem nun international größten Eisendüngungsexperiment eines wenigstens klar: Die (ja durchaus kostspielige) Entsorgung von Kohlendioxid aus der Luft über künstlich ausgelöste, großflächige Algenblüten lässt sich keineswegs nach Belieben kontrollieren. Und nach diesen Erfahrungen wegen Unkalkulierbarkeit wohl schon gar nicht kommerziell nutzbar machen.  Die Dinge, so Smetacek, „liegen offensichtlich viel komplizierter, als dass man daraus ein marktfähiges Industrieprodukt machen könnte”.

 

Ob dies allerdings schon das endgültige Aus für die Eisendüngung als CCS-Option ist, lässt sich  schwer voraussehen. Das wird international sicher heiß diskutiert. In den nächsten Monaten will man beim AWI die während der Expedition erzielten Ergebnisse im Labor überprüfen und weiter erforschen. Soviel zumindest ist klar: Gelohnt hat sich die Forschungsfahrt für das deutsch-indische Team allemal. Und am Ende werden wir erleben, dass sogar die Umweltschützer jubilieren und „Lohafex” in den kommenden Monaten als Kronzeuge im Kampf gegen die alternativen Kohlendioxid-Vermeidungsstrategien ins Feld  geführt werden.

 

von faz-jom erschienen in Planckton ein Blog von FAZ.NET.


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